Leseprobe aus dem 4. Band der Fantasy Reihe "Das Vermächtnis der Lil`Lu".
Ich war schweigsam und schlief schlecht. Zum Glück schien Amanda meine Heimweherklärung als plausibel anzusehen und zwang mich nicht in eine Unterhaltung. Ich hielt mich die nächsten beiden Tage im Haus auf, aus Angst davor, erneut die Kontrolle zu verlieren. Meine Unruhe stieg, ich hasste es, eingesperrt zu sein. Doch es gab noch einen weiteren Grund. Emilie glänzte mit Abwesenheit. Wo war sie? War ihr trotz Alexander etwas geschehen? Weshalb rief sie mich nicht auf die Traumebene? Emilies Fernbleiben beunruhigte auch Jon, Amanda und Simon in höchstem Maße. Sie hatten offenbar gehofft, durch mich einen ständigen Draht zu ihr und Lovisa zu haben – ähnlich der Telefone und Handys, die in dieser Welt jeder zu besitzen schien. Eine tote Leitung und Ungewissheit waren sie nicht gewohnt. Um mich abzulenken, lernte ich noch mehr über diese
Welt und begann, nach Duncan Hill und Emilies ermordetem Kindheitsfreund Max zu suchen. Ich wurde fündig. Es gab mehrere Zeitungsausschnitte über den Mord an Max Rowen. Ein Bild von ihm zeigte ein lachendes Kind mit grünen Augen und braunem Haar. Darunter stand ein Text in fremder Sprache, Englisch. Ich schickte ihn durch den Übersetzer. Der Umgang mit dem Internet ging mir mittlerweile ähnlich leicht von der Hand wie Amanda. Ich lernte sehr schnell, sogar für einen Nephilim. Amanda und Simon waren mehr als beeindruckt von meinen kognitiven Fähigkeiten. Ich war einfach nur froh, dass mir meine Intelligenz so hilfreich war. Mit zunehmender Abscheu las ich den Artikel.
Grausamer Mord in Greenwood, Indiana. Der sechsjährige Max Rowen wurde gestern in seinem Elternhaus ermordet aufgefunden. Seine Kehle war aufgeschnitten. Der Täter muss das Kind beim Spielen überrascht haben. Es war sofort tot. Seine Mutter fand ihr einziges Kind in einer Blutlache zwischen Kinderspielzeug liegend auf. Der Schock sitzt tief, die Trauer ist groß. Vater und Mutter wurden in Schutzhaft genommen, bezüglich der Gründe schweigt sich die Polizei aus. Nur so viel: Der Täter konnte unerkannt entkommen, der Polizei fehlt jede Spur.
Dem Kind war brutal die Kehle durchgeschnitten worden, ein Überfall im Kinderzimmer. Und Max war nicht das einzige Kind, das auf diese Weise starb. Ich fand weitere Fotos von ihm, daneben die Bilder von zwei anderen Kindern. »Ein Serienmörder?«, lautete die Rubrik.
Treibt ein Serienmörder sein Unwesen? Bereits drei Kinder starben auf dieselbe grausame Art. Allen wurde die Kehle aufgeschnitten, der Tod trat unmittelbar ein. Vom Täter fehlt jede Spur. Die Polizei tappt im Dunkeln.
Ein weiterer Artikel befasste sich mit unaufgeklärten Morden. Das Erscheinungsdatum zeigte, dass er erst kürzlich erschienen war. Max Rowen und elf weitere Kinder waren Thema des Artikels. Alles Verbrechen, die bis heute ungeklärt geblieben waren. Acht Kindern war die Kehle durchschnitten worden, den anderen wurde das Genick gebrochen. Der Artikel spekulierte, ob es sich trotzdem um ein und denselben Mörder handeln konnte. Ein kleines Mädchen zog mich in ihren Bann – lange schwarze Haare umrahmten ein engelsgleiches Gesicht, grüne Augen schienen durch mich hindurchzusehen, als wäre ich ein offenes Buch. Ich verlor mich in ihnen, wurde fortgetragen, hinabgezogen, wie in die Tiefen des Ozeans. Ich schüttelte mich, riss mich los und überflog den Artikel darunter. Ihre ganze Familie war ausgelöscht worden. Ihr selbst wurde die Kehle aufgeschnitten, genau wie Max. »Der gleiche Mörder oder ein Trittbrettfahrer?«, lautete die Rubrik. Mein Blick blieb an ihrem Namen hängen – Gabriella Sommersfield. Mein Herz zog sich zusammen. All diese Kinder. Wie konnte jemand nur so etwas tun? Ich suchte weiter nach Anhaltspunkten, las und verglich. Dann tippte ich den Namen Duncan Hill ein, startete die Suche und öffnete den ersten Artikel. Ich erstarrte. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Wie war das möglich? Ein Foto war der kurzen Information über Duncan Hill beigefügt. Douglas, die rechte Hand meines Vaters und hochrangiges Mitglied der Brüter. Das Gesicht war unverkennbar. Die etwas zu nahestehenden Augen, die spitze Nase, graue Haare und beginnende Glatze. Es gab hier doch Nephilim? Und Emilie hatte diesen Mann gesehen? Eiskalt durchfuhr es mich. Er war der Mörder von Max. Ich zweifelte keine Sekunde, dass er dazu fähig war. Douglas erledigte Vaters Drecksarbeit. Er tötete ohne Umschweife, fragte nicht nach Recht und Gesetz, sondern führte Vaters Order aus, ohne mit der Wimper zu zucken.
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Der 5. und letzte Band der Reihe ist fast fertig!
"Kristin - Die Zeitkapsel" erscheint voraussichtlich im Januar 2018!
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