Minileseprobe aus dem Fantasyroman "Lovisa - Im Zeichen des Feuers" (Das Vermächtnis der Lil`Lu 2)
Ich stopfte mir gerade eine letzte Weintraube in den Mund, als Josefin einen großen Kleiderständer zur Tür hereinschob. Oben auf
dem Ständer thronten bunte Schachteln und ein großer Kasten mit weinrotem Samt bezogen. Ich folgte ihr in den Ankleideraum und beobachtete, wie sie die dort hängenden Kleider in diversen Größen
gegen eine Garderobe passend zu meinen fraulichen Rundungen austauschte. Aus den Schachteln zog sie zu jedem Kleid passende Tücher, Taschen und Schuhe. Der weinrote Kasten entpuppte sich als
Schmuckschatulle. Mir gingen fast die Augen über, bei den edlen, mittelalterlich angehauchten Armreifen, Ringen und Halsketten, die mit Rubinen, Jade, Opalen und Saphiren besetzt waren. Ich war
nicht gerade der Gold- und Silberfantast, doch solch Reichtum an Juwelen ließ dann sogar mein Herz höherschlagen. Leider schlug mich beim
Bewundern noch etwas anderes – nämlich die nächste Vision.
Emilie und Amanda standen hinter einigen jungen Birken und beobachteten … mich! Ich stand mit meinem Vater auf der Lichtung hinter unserem Haus. Ich sah, wie er mich umarmte und sich dann einige Schritte entfernte. Paps leuchtete mich mit seiner Taschenlampe an. Ich schloss die Augen, und ein silbernes Leuchten erfasste mich, als ob das Licht aus meinem Innersten kommen würde. Emilie starrte völlig entgeistert zu mir hinüber. Ein schwaches Flimmern hatte meine Aura erfasst, es wurde immer stärker.
Amanda klammerte sich an Emilies Arm fest.
»Was zum Teufel …«, zischte sie und zitterte vor Aufregung. Oder aus Angst?
Und dann war ich weg. Wie vom Erdboden verschluckt, im Nichts aufgelöst. Paps‘ Lichtkegel fuhr über die Lichtung, so, als könnte er es nicht glauben, obwohl er es selbst gesehen hatte.
Und Emilie? Die Luft um sie herum begann, sanft zu flimmern, und im nächsten Augenblick war sie verschwunden – genau wie ich!
Amanda griff ins Leere, stürzte zu Boden und stieß einen Entsetzensschrei aus …
Oder war ich es?
Josefin schüttelte mich.
»Prinzessin? Herrin? … Isa!«, rief sie angsterfüllt.
Ich sah sie direkt an. »Habe ich geschrien?«
Josefin nickte. »Aber nur kurz«, beruhigte sie mich. »Niemand hat es gehört. Es war mehr ein leiser, erstickter Schrei. Mehr ein Ruf …«
Sie zögerte und blickte mich besorgt an. »Wie oft passiert es Euch?«
Ich schüttelte mich, versuchte die Vision in den Hintergrund zu drängen, um bei Josefin zu bleiben.
Ich darf Josefin nicht vertreiben. Ich brauche sie. Konzentriere dich!
Doch es fiel mir schwer, nicht über die Vision nachzudenken. Emilie und Amanda waren mir gefolgt? Emilie war im Nichts verschwunden? Wohin?
»In letzter Zeit immer öfter«, presste ich hervor.
Josefin nickte verstehend. »Ihr müsst lernen, es zu kontrollieren.«
Ich sah sie skeptisch an.
»Ihr müsst!«, beharrte sie. »Sonst bleibt Euer Geheimnis nicht allzu lange verborgen. Dafür brauche ich kein Zweites Gesicht!«
Sie hatte natürlich recht. Wenn das so weiterging, würde es bald das ganze Schloss wissen. Ich rieb mir die Augen und stöhnte.
Emilie. Wo war sie nur? In welches Universum war sie gewechselt? War sie überhaupt gewechselt, oder war da noch etwas ganz anderes am Werk? Aber irgendwie musste es mit mir zu tun haben …
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Lovisa - Im Zeichen des Feuers (Das Vermächtnis der Lil`Lu 2)
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